In der Theorie besteht der 4-Takt-Betriebszyklus des Motors aus den Takten Ansaugen, Verdichten, Arbeiten und Ausstoßen. Der Einfachheit halber wird für alle Automobilmotoren der gleiche theoretische Zyklus verwendet. Um jedoch sicherzustellen, dass jeder Zylinder zu jedem definierten Zeitpunkt (auch bei unterschiedlichen Drehzahlen und Lastsituationen) möglichst effizient mit Gemisch gefüllt und entleert wird, müssen der Öffnungs- und Schließwinkel der Ventile vom theoretischen Zyklus abweichen. Hier kommen das VVT- bzw. variable Ventilsteuersystem und die VVT-Magnetventile ins Spiel. Zunächst erläutern wir die Funktion und die Geometrie dieser wichtigen Teile.
Laufzeiten und Trägheit
Wie eingangs erläutert, müssen die Ventilöffnungs- und -schließzeiten geringfügig vom theoretischen Zyklus abweichen, um den Prozess des Gemischein- und -austritts in bzw. aus dem Zylinder zu optimieren. Hier kommen sowohl Laufzeiten als auch Trägheit ins Spiel:
- Laufzeiten: Ventile öffnen sich nicht sofort. Es kann 20–30° der Kurbelwellenumdrehung dauern, bis sie vollständig geöffnet sind. Ohne entsprechende angleichende Maßnahmen hätte dies Verzögerungen sowohl im Ansaug- als auch im Ausstoßtakt zur Folge:
- Wenn der Kolben im Ansaugtakt den Abwärtshub beginnt und das Ansaugventil aufgrund der oben genannten Laufzeit noch nicht geöffnet ist, entsteht im Zylinder ein Vakuum. Der Kolben muss also auf seinem Abwärtshub Widerstand überwinden, und dies reduziert die Motorleistung.
- Genauso gilt, wenn der Kolben im Ausstoßtakt seinen Aufwärtshub beginnt und das Ventil aufgrund der Laufzeit nicht geöffnet ist, behindert der Druck im Zylinder die Aufwärtsbewegung des Kolbens, und auch dies reduziert die Motorleistung.
- Trägheit: Außerdem beginnt die Bewegung der verbrannten Gase nach dem Ventilöffnungszeitpunkt mit einer leichten Verzögerung. Dies führt auch zu einer kurzen Verzögerung zu Beginn des Prozesses (Füllen oder Entleeren des Zylinders).
Standard-Ventilöffnung ohne VVT-System
Die folgende Grafik zeigt die feste Geometrie eines Fahrzeugs ohne variables Ventilsteuersystem (VVT-System). T.D.C. bezeichnet den oberen und B.D.C. den unteren Totpunkt (OT und UT):
Diagramm Standard-Ventilöffnung ohne VVT-System
- EVO oder Einlassventil offen (in blau) Um eine Verzögerung zu vermeiden und das Einlassgemisch so schnell wie möglich in den Zylinder gelangen zu lassen, wird das Einlassventil kurz vor OT geöffnet.
- EVG oder Einlassventil geschlossen (in blau)
Das Einlassventil schließt, kurz nachdem der Kolben den oberen Totpunkt überschritten hat. Auf diese Weise wird die Trägheit des Gemischs genutzt und der Einlassvorgang in den Zylinder optimiert.
- AVO oder Auslassventil offen (orange) Am Ende des Abwärtshubs ist der Druck im Zylinder zwar gesunken, da das Gas den Kolben nach unten gedrückt hat, jedoch wird, um sicherzustellen, dass der Kolben während seines Aufwärtshubs keinen Widerstand überwinden muss, das Auslassventil bereits vor dem unteren Totpunkt geöffnet.
- AVG oder Auslassventil geschlossen (orange) Um sicherzustellen, dass das gesamte verbrannte Gas ausgestoßen und die Luft im Zylinder vollständig eneuert wurde, wird das Schließen des Auslassventils ein wenig verzögert.
Wie Sie dem Diagramm entnehmen können, gibt es eine Überlappung (in grün): eine kurze Zeitspanne lang sind Ein- und Auslassventile gleichzeitig geöffnet.
Das VVT-System oder das variable Ventilsteuersystem
Funktion des VVT-Systems
Da die Drehzahl von Automobilmotoren nicht konstant ist, sollte sich das Steuerzeitendiagramm idealerweise variabel der Drehzahl anpassen. Mit anderen Worten: Die Ventilschließ- und -öffnungswinkel sollten variabel auf Werte eingestellt werden, welche die Ein- und Auslassvorgänge im Zylinder passend zur Motordrehzahl optimieren.
Das VVT-System beeinflusst die Steuerzeiten der Ventile mithilfe eines Phasenschiebers, der sich am Kopf der Nockenwelle befindet. Diese Komponente wird von der Motorsteuerung über einen vom Magnetventil gesteuerten Ölfluss angesteuert.
Die Hauptvorteile dieses Systems sind:
- geringerer Kraftstoffverbrauch
- mehr Drehmoment und Leistung
- weniger Emissionen
Hauptsächlich bei Benzinmotoren
Das VVT-System wurde Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre in asiatischen und europäischen Fahrzeugen eingeführt. Mitte der 2000er Jahre wurde dieses System immer beliebter und wurde von allen großen Automobilherstellern eingesetzt. Heute ist es in der Regel in Benzinmotoren verbaut (jedoch nicht in allen), aber auch in einigen Dieselmotoren. Der tatsächliche Name des Systems variiert von Hersteller zu Hersteller, aber obwohl es kleine Unterschiede geben kann, ist das Funktionsprinzip praktisch identisch:
- Honda: VTEC
- Toyota: VVT-i
- BMW: VANOS
- Ford: Ti-VCT
- Kia-Hyundai: CVVT
- Porsche: VARIO CAM
- VAG: TGV
- …
Magnetventil und andere VVT-Komponenten
Die Hauptkomponenten eines variablen Ventilsteuersystems sind:
Die Hauptkomponenten eines VVT-Systems
- ECU
- Drehzahlsensoren
- Nockenwellenversteller
- Nockenwellen
- Magnetventile
- Ölleitung
Sehen wir uns den Nockenwellenversteller näher an
Der Nockenwellenversteller passt den Öffnungswinkel der Ventile an. Er besteht aus folgenden Teilen:
Die Komponenten eines Nockenwellenverstellers
- Innenrotor: Dieser Teil ist an der Nockenwelle angebracht.
- Äußeres Gehäuse: Dieser Teil ist am Steuerkettenrad des Motors angebracht.
- Bohrungen: Diese werden auf der einen oder anderen Seite der inneren Rotorblätter aktiv mit Öl befüllt. Dadurch wird der Innenrotor relativ zum Außengehäuse gedreht, wodurch die Öffnungssteuerzeiten der Ventile auf einen früheren oder späteren Zeitpunkt eingestellt werden.
Dieser Ölfluss auf die eine oder andere Seite der Bohrungen wird nun durch das Magnetventil gesteuert. Wie wir später in diesem Artikel sehen werden, lässt das Magnetventil das Öl entsprechend dem Pulsweitenmodulationssignal (PWM), das es von der Motorsteuerung erhält, durch die Leitungen zu den Bohrungen fließen.
Sehen wir uns das Magnetventil näher an
Das Magnetventil besteht seinerseits aus folgenden Komponenten:
Die Komponenten des Magnetventils
- Ölzulaufleitung
- Ölrücklauf
- Ölleitungen zur Nockenwelle
- Kolben
- Magnetspule
- Elektrischer Anschluss
Das Magnetventil: Stellungen
Das VVT-System wird am häufigsten für den Betrieb mit der Einlassnockenwelle installiert, obwohl es bei einigen Fahrzeugen auch eines gibt, das mit der Auslassnockenwelle verbunden ist. Hochleistungsmotoren zum Beispiel arbeiten mit komplexeren Systemen, die den Hub der Nocken variieren können. Magnetventile können sich deshalb an verschiedenen Stellen befinden.
1. Magnetventil in Stellung „Spät“
Das Magnetventil kann sich in der Stellung „Spät“ befinden:
Das Magnetventil in der Stellung „Spät“
Bei Leerlaufdrehzahl des Motors bewegt das Magnetventil seinen internen Kolben. Dadurch kann das Öl fließen und eine Seite der Bohrungen füllen, während es von den anderen Seiten aus in den Ölsumpf zurückfließen kann. Dadurch öffnen sich die Ventile zu einem etwas späteren Zeitpunkt des Motortaktzyklus.
Die Verzögerung der Öffnung des Einlassventils verhindert, dass verbrannte Gase bei Leerlaufdrehzahl in den Ansaugkrümmer gelangen. Außerdem wird Kraftstoff gespart: Der Motor läuft weiterhin rund, ohne dass die Leerlaufdrehzahl erhöht werden muss.
2. Magnetventil in Stellung „Früh“
Das Magnetventil kann sich auch in der Stellung „Früh“ befinden:
[image6] Magnetventil in Stellung „Früh“
Bei hohen Motordrehzahlen bewegt sich das Magnetventil in die entgegengesetzte Stellung. Dadurch wird der Ölfluss umgekehrt und die Nockenwelle bewegt sich in die Stellung „maximal früh“.
Wenn der Motor mit hoher Drehzahl läuft, braucht der Zylinder viel weniger Zeit zum Füllen des Brennraums. Wenn wir also den Öffnungsbeginn des Ventils auf einen früheren Zeitpunkt legen, stellen wir sicher, dass das Einlassgemisch in den Zylinder eintritt, noch bevor der Kolben OT erreicht hat. Durch das Vorverlagern des Öffnungsvorgangs wird natürlich auch der Schließvorgang vorverlagert. Doch in diesem Fall hat der Zylinder aufgrund der Motordrehzahl noch genug Zeit, eine ausreichende Menge Gemisch einzulassen, um optimale Leistung zu gewährleisten, bei gleichzeitiger Nutzung der Trägheit des Gemischs/der Gase, die mit höheren Geschwindigkeiten zirkulieren.
3. Magnetventil in Wartestellung
Eine dritte mögliche Stellung des Magnetventils ist die Wartestellung:
Das Magnetventil in der Wartestellung
Die Nockenwellen verfügen über Hall-Sensoren. Diese Sensoren teilen der Steuereinheit ihre genaue Stellung in Bezug auf die Kurbelwelle mit. Auf diese Weise kann die Steuerung ständig die jeweils benötigte Stellung des Magnetventils bestimmen. Sie berechnet dies durch den Vergleich von Eingangssignalen (z. B. Motordrehzahl, Drosselklappenstellung usw.) mit den in ihr gespeicherten Mappings. Ist die gewünschte „Früh“-Stellung erreicht, geht das Magnetventil in Wartestellung. Dadurch wird der Ölfluss in beide Richtungen blockiert, wodurch die Nockenwelle in einem bestimmten Winkel relativ zum Nockenwellenzahnkranz bleibt.
Wenn der Motor mit mittlerer Drehzahl oder in anderen spezifischen Situationen läuft, kann die Steuerung eine „Zwischen-Früh“-Stellung der Nockenwelle errechnen, um den Motor zu diesem Zeitpunkt optimal anzusteuern. Die Zwischenstellungen tragen dazu bei, die NOx-Werte zu senken, und wirken sich daher ähnlich auf den Motor aus wie Abgasrückführungssysteme (in der Regel in Dieselmotoren installiert. AGR entlassen etwas Abgas zurück in den Ansaugkrümmer. Wenn diese Abgase wieder in den Brennraum gelangen, senken sie die Temperatur, und dies reduziert das NOx).
VVT-Systemstörungen
Öldruckprobleme
Die häufigste Hydraulikstörung ist niedriger oder kein Öldruck. Dies liegt häufig daran, das nicht ordnungsgemäß gewartetes Öl Schmutzpartikel und Schlamm enthält. Wenn sich diese Verunreinigungen im Vorfilter der Ölzulaufleitung des Magnetventils ablagern, behindern und beschränken sie den Ölfluss. Dies führt dazu, dass das System langsam arbeitet oder gar nicht funktioniert. Darüber hinaus können die Partikel durch den Filter gelangen und dazu führen, dass das Magnetventil in einer seiner Stellungen festgeht.
Das Problem zu geringen Drucks kann sich verschärfen, wenn das Öl nicht die richtige Viskosität hat oder wenn eine weitere Störung im Schmiersystem vorliegt.
Öldruckprobleme
Elektrikstörungen
Bei Magnetventilen kann es auch zu elektrischen Störungen kommen. Die Spule kann ausfallen, wodurch das Ventil nicht mehr funktioniert. Ein guter Rat ist dennoch immer, die zum Ventil führenden Kabel zu überprüfen, um den unnötigen Austausch eines in gutem Zustand befindlichen Teils zu vermeiden.
Die Motorsteuereinheit verwendet die Nockenwellen- und Kurbelwellenstellungssensoren, um den Betrieb des Systems zu bewerten. Im Falle einer Störung erzeugt sie einen Fehlercode und schaltet die Motordiagnoseleuchte ein.
[image9] Motordiagnoseleuchte